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Diabetes und Freizeit

Körperliche Bewegung ist für alle Menschen zunächst etwas Positives. Sie macht Spaß, führt zu einem guten Körpergefühl und zu einer Steigerung des Selbstvertrauens. Zudem kommt es bei regelmäßiger körperlicher Bewegung zu einem Training des Herz-Kreislauf-Systems, zu einer Senkung der Blutfettspiegel und zu einer Gewichtsabnahme (siehe Übergewicht).

Speziell beim Diabetiker stellt regelmäßige Bewegung neben einer richtigen Ernährung und der regelmäßigen Medikamenteneinnahme eine eigenständige Therapiemöglichkeit dar. Bei regelmäßigem Sport kann bei Typ 2 Diabetikern nicht nur das Fortschreiten der Erkrankung verhindert, sondern teilweise sogar eine Verbesserung der Stoffwechselsituation bewirkt werden.

Zur regelmäßigen Bewegung gehört in diesem Sinne nicht nur das Treiben von Sport, sondern ebenfalls Haus- und Gartenarbeit oder Spaziergänge.

Da bei körperlicher Betätigung jedoch Stoffwechselveränderungen im Körper auftreten, die auch Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel haben, sollten Sie nicht nur über die Vorteile von Sport, sondern auch über die entsprechenden Gefahren körperlicher Bewegung wie Blutzuckerentgleisungen und Verschlechterung der Folgeerkrankungen des Diabetes informiert sein.

Zunächst möchte ich Ihnen daher erklären, was im Körper eines gesunden Menschen passiert, der Sport treibt.

Die Leber produziert pro Stunde 10 g Zucker. Davon verbraucht das Gehirn 6 Gramm Zucker pro Stunde. Der Rest, also 4 Gramm Zucker pro Stunde, steht dem übrigen Gewebe, u.a. der Muskulatur zur Verfügung. Bei körperlicher Belastung benötigt die Muskulatur jedoch mehr als 4 g Zucker pro Stunde. In diesem Fall kann die Leber zusätzlichen Zucker herstellen, um den erhöhten Bedarf zu decken. Die Zuckerproduktion in der Leber wird über den Insulinspiegel im Blut gesteuert. Das Signal an die Leber, mehr Zucker zu produzieren, ist daher ein Absinken des Insulinspiegels im Blut. Regelkreis des Blutzuckers

Regelkreis des Blutzuckerhaushalts

Insulin wirkt auf die Leber und dämpft die Ausschüttung von Zucker in das Blut. Blutzucker wirkt auf die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) und erhöht dort die Ausschüttung von Insulin.
Bei Gesunden erfolgt die Absenkung des Insulinspiegels automatisch. Wird von den Muskeln aufgrund erhöhter körperlicher Anstrengung mehr Zucker benötigt, sinkt der Blutzuckerspiegel. Die Bauchspeicheldrüse reagiert darauf mit einer Absenkung des Insulinspiegels, was wiederum die Zuckerproduktion in der Leber erhöht. Durch die verstärkte Zuckerproduktion wird der Blutzuckerspiegel konstant gehalten.

Bei Diabetikern ist dieser Insulinkreislauf gestört. Je nach Art der medikamentösen Therapie des Diabetes kann der Stoffwechsel wie bei einem gesunden Menschen funktionieren. Dies ist etwa bei Einnahme von Metformin oder Glucobay der Fall (siehe Medikamentöse Therapie).

Bei Einnahme von Insulin oder insulinfreisetzenden Medikamenten wie z.B. Glibenclamid ist jedoch ein hoher Insulinspiegel im Blut vorgegeben, der nicht durch Veränderung der körpereigenen Insulinausschüttung gesenkt werden kann. Die Leber ist also bei diesem hohen und konstanten Insulinspiegel nicht in der Lage, bei sportbedingtem zusätzlichem Zuckerbedarf der Muskulatur zusätzlichen Zucker zu produzieren und es kommt zu einer Unterzuckerung. Zudem beschleunigt die körperliche Aktivität bei insulinpflichtigen Diabetikern die Aufnahme des gespritzten Insulins, was zu einer weiteren Senkung des Blutzuckerspiegels führen kann.

Wird die körperliche Bewegung kontrolliert betrieben, kann dieser Effekt der Blutzuckersenkung dagegen therapeutisch genutzt werden. Bei einer moderaten Belastung des Körpers (z.B. beim langsamen Joggen) sinkt der Blutzucker um ca 60 mg/ dl in einer Stunde, so dass ein erhöhter Blutzuckerspiegel auch ohne zusätzliche Medikamenteneinnahme behandelt werden kann.

Hinzu kommt, dass bei regelmäßiger körperlicher Aktivität die direkte Wirkung des Insulin bei der Zuckerversorgung des Muskels (sog. Schlüssel-Schloß-Prinzip) erhöht wird. Die Aufnahme der Glucose in die Muskelzelle wird verstärkt, so dass auf Dauer weniger Insulin benötigt wird. Durch diesen Effekt kann bei Diabetikern, die nicht mehr gut auf Medikamente reagieren, eine Verbesserung der Wirksamkeit erzielt werden. Zur Erreichung dieses Effekts ist eine geringe körperliche Belastung in Form von schnellem Gehen (ca 40 Minuten die Woche) bereits ausreichend.

Eine Sondersituation ergibt sich bei schlecht eingestellten Diabetikern mit Zuckerwerten zwischen 200 und 300 mg/ dl. Hier liegt bereits ein Insulinmangel vor. Wird zusätzlich zu diesem bestehenden Insulinmangel Sport betrieben, produziert die Leber noch mehr Zucker. Gleichzeitig führt der bestehende Insulinmangel zu einem verminderten Zuckerabbau in der Muskulatur. Das Ergebnis ist eine massive Überzuckerung, die bis zum Koma führen kann. Deshalb sollte bei solch schlecht eingestelltem Blutzucker übermässige körperliche Aktivität vermieden werden.

Die gleiche Problematik ergibt sich für Typ 1 Diabetiker mit totalem Insulinmangel. Für diese Patienten ergibt sich jedoch kein Sportverbot, wenn die Insulinzufuhr dem veränderten Bedarf angepasst wird.

Vorbereitungen

Möchten sie als Diabetiker intensiv Sport treiben, gilt es, vor Aufnahme der sportlichen Betätigung einige Dinge zu beachten.

Zunächst sollten eine sportmedizinische Untersuchung des Herzens, der Augen, Nieren und Füße beim Arzt durchgeführt werden. Dazu gehört die Durchführung eines Belastungs-EKG zum Ausschluss von Herz-Neuropathien (Stichwort: "stummer Infarkt") und Bluthochdruckerkrankungen, die vor Aufnahme des Sports zunächst eingestellt werden müssen.

Weiterhin ist es wichtig, eine diabetische Augenschädigung (Retinopathie) auszuschließen. Sportarten mit hoher Bauchpressarbeit, die zu einem kurzzeitigen starken Ansteigen des Blutdrucks führen (z.B. Gewichtheben), können bei Vorliegen dieser Augenschädigung zu Einblutungen ins Auge führen.

Bei Nachweis einer diabetischen Nierenerkrankung (Nephropathie - siehe Folgeerkrankungen des Diabetes) ist es besonders wichtig, auf eine ausreichende Trinkmenge während des Sports zu achten. Die Ausübung von Sportarten, die zu einer Blutdruckerhöhung führen, ist hier ebenfalls nicht möglich.

Liegt eine diabetische Nervenschädigung der Beine vor (siehe Diabetische Polyneuropathie), sollten Sportarten mit Dauerbelastung der Füße oder Sportarten mit einengendem Schuhwerk (z.B. Skifahren) gemieden werden.

Nach Ausschluss von Folgeerkrankungen des Diabetes muss zusätzlich auch die jeweilige Belastungsgrenze durch die Erstellung eines Belastungs-EKGs (siehe Elektrokardiogramm) ermittelt werden.

Auswahl der Sportart

Hat man nun die generelle Sportfähigkeit abgeklärt, steht die Entscheidung der Sportart an. Nach Möglichkeit sollte man sich für eine Ausdauersportart mit immer gleichartiger Belastung entscheiden und diese am Besten in der Gruppe durchführen. Am besten geeignet sind Sportgruppen speziell für Diabetiker.

Vor dem Sport

Direkt vor Aufnahme der sportlichen Betätigung sollten sie einige weitere Punkte beachten.

Vor Beginn der sportlichen Aktivität sollten sie eine Blutzuckerbestimmung vornehmen. Liegt der Wert unter 100 bzw. über 250 mg / dl, muss zunächst ein Ausgleich des Blutzuckerwertes vorgenommen werden. Bei niedrigen Werten reicht die Einnahme von Traubenzucker, hohe Blutzuckerwerte werden mit kurzwirksamem Insulin vermindert. Bei ausgeglichener Stoffwechsellage sollten sie wegen der Gefahr einer Unterzuckerung pro Stunde Sport zwei BEs (z.B. zwei Traubenzuckerstücke) zusätzlich zuführen.

Bei intensiviert eingestellten insulinpflichtigen Patienten kann statt der Zufuhr zusätzlicher BEs auch eine Reduktion der Insulindosis vorgenommen werden. Meist ist es ausreichend, das Mahlzeiteninsulin vor sportlicher Betätigung zu verringern (z.B. bei einer leichten Belastung über eine Stunde sollte das Mahlzeiteninsulin um ca. die Hälfte reduziert werden). Bei längerer Belastung muss zusätzlich das Basalinsulin reduziert werden.

Bei Tabletteneinnahme ist nur bei Einnahme von Sulfonylharnstoffen (wie z.B. Glibenclamid, siehe Medikamentöse Therapie) eine Dosisreduktion nötig.

Wichtig ist vor allen Dingen, dass beim Sport immer Traubenzucker in greifbarer Nähe vorhanden ist.

Während des Sports

Während der Sportausübung sollten sie in den Pausen erneut eine Blutzuckerbestimmung durchführen. Bei Bedarf sollten sie eine entsprechende Korrektur des Blutzuckers vornehmen.

Auch im Anschluss an die sportliche Betätigung ist es wichtig, noch mehrfach den Blutzuckerspiegel zu messen

Nach dem Sport

Da während des Sports die Zuckervorräte des Körpers aufgebraucht wurden und nun wieder aufgefüllt werden müssen, kann es noch bis zu 14 Stunden später zu einer Unterzuckerung kommen. Selbst bei Zuckerwerten um 100 mg/ dl sollten sie deshalb nach dem Sport, insbesondere vor dem Schlafengehen, ein Stück Traubenzucker einnehmen.