Wechselwirkungen von Antidiabetika

Unter Wechselwirkungen versteht man die gegenseitige Beeinflussung von gleichzeitig eingenommenen Medikamenten. Die Medikamente können sich gegenseitig in ihrer Wirkung abschwächen, bis hin zur Wirkungslosigkeit, oder umgekehrt die jeweilige Wirkung verstärken - bis hin zu Vergiftungserscheinungen. Auch Genussmittel wie beispielsweise Alkohol kann die Wirkung der Medikamente beeinflussen.

Um solche schädlichen Wechselwirkungen zu vermeiden, sollte jeder Patient mit Diabetes mellitus über seine eigene Medikation und deren mögliche Wechselwirkungen Bescheid wissen.

Insbesondere Ärzte, welche die Medikation und Krankheitsgeschichte eines Patienten nicht kennen -wie beispielsweise Notärzte oder Fachärzte - können sonst unter Umständen ein Medikament verordnen, das sich gar nicht mit den bereits eingenommenen Medikamenten verträgt.

Auch ältere Patienten mit mehrfacher Medikation sollten ihre Arzneimittelkombinationen kritisch hinterfragen und gegebenenfalls mit ihrem Arzt besprechen.

Typen von Wechselwirkungen

Generell werden zwei Arten von Medikamentenwechselwirkungen unterschieden, die pharmakodynamische und die pharmakokinetische Wechselwirkung.

Pharmakodynamische Wechselwirkung

Eine pharmakodynamische Wechselwirkung ergibt sich daraus, dass zwei verschiedene Arzneimittel unter Umständen ähnliche Wirkungen oder Nebenwirkungen im Körper haben und sich damit gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken. Diese verstärkende Wechselwirkung wird in der Medizin gerne genutzt.

Ist zum Beispiel bei einem Diabetiker ein Medikament zur Senkung des Blutzuckersenkung nicht ausreichend, wird oft ein zweites Medikament gegen Diabetes mellitus hinzugenommen, um den Blutzuckerspiegel gut einzustellen. Allerdings birgt eine solche Kombination mehrerer Zuckermedikamente auch die Gefahr einer überschießenden Wirkung - mit dem Ergebnis einer Unterzuckerung.
Diese Wechselwirkung kann bei Kombination aller Blutzuckermedikamente auftreten.

Pharmakokinetische Wechselwirkung

Bei der pharmakokinetischen Wechselwirkung verändert dagegen ein Medikament oder eine Substanz die Aufnahme, den Abbau oder die Ausscheidung eines anderen Stoffes. So werden fettlösliche Vitamine zusammen mit einem fettigen Butterbrot verzehrt leichter in den Körper aufgenommen. Die Butter fungiert hier wie ein Transportmittel.

Durch die Gabe spezieller Substanzen (Abbauhemmer) kann der Abbau von Medikamenten im Körper verlangsamt werden, wodurch es aufgrund der längeren Medikamentenwirkung zu einer Wirkungsverstärkung kommt. Umgekehrt gibt es Substanzen, die den Abbau von Medikamenten verstärken und so zu einer Abschwächung von deren Wirkung führen. Ein Beispiel hierfür ist z.B. die verminderte Wirkung der Antibabypille bei gleichzeitiger Einnahme von Antibiotika, die als Abbaubeschleuniger dient.

Verstärkung der Antidiabetika

Substanzen, welche durch ihre Wechselwirkungen die Aufnahme, den Abbau oder die Ausscheidung der Blutzuckermedikamente beeinflussen, können die Wirkung der Antidiabetika verstärken, also den Blutzucker senken, oder auch abschwächen und dadurch zu einem Blutzuckeranstieg führen. Eine Reihe anderer, nicht zur Behandlung des Diabetes mellitus verwendeter Medikamente verstärkt die antidiabetischen Medikamente und kann dadurch eine Blutzuckersenkung mit der Gefahr der Unterzuckerung bewirken:
Dazu zählen in erster Linie Blutdruckmedikamente aus verschiedenen Gruppen:
  • ACE Hemmer (blutdrucksenkende Medikamente mit der Endung "-pril", z.B. Enalapril®)
  • ß-Blocker (blutdrucksenkende Medikamente mit der Endung "-olol", z.B. Metoprolol®)
  • a-Blocker (blutdrucksenkende Medikamente, z.B. Briserin®, Clonidin®, Doxazosin®, Diblocin®, Reserpin®)
a-Blocker und ß-Blocker führen außerdem dazu, dass die ersten Anzeichen einer Unterzuckerung verschleiert werden, was deren Einsatz beim Diabetiker beeinträchtigt. Daher muss man bei diesen Medikamenten dieser Gruppe besonders abwägen, ob der Einsatz bei einem Diabetiker unbedingt erforderlich ist.

Das heißt jedoch nicht, dass die gemeinsame Gabe dieser Blutdruckmedikamente mit Antidiabetika verboten wäre. Ein Patient mit Bluthochdruck benötigt gegebenenfalls zwingend eine Einnahme der obigen Medikamente. In solch einem Fall muss der Blutzuckerspiegel jedoch insbesondere zu Anfang der Therapie besonders häufig kontrolliert werden.

Auch einige Schmerzmittel führen zu einer Blutzuckersenkung. Dazu gehören unter anderem Salicylate (schmerzstillende Medikamente wie Aspirin®) sowie Schmerzmittel anderer Art (z.B.: Novalgin®, Ambene®). Da einige dieser Medikamente auch ohne ärztliches Rezept erhältlich sind, ist bei einer Selbstbehandlung auf die möglichen Wechselwirkungen zu achten.

Eine ganze Reihe weiterer Medikamente senkt ebenfalls als eine Nebenwirkung den Blutzucker und kann dadurch die Wirkung von Diabetesmedikamenten verstärken:
  • Antibiotika ( insbesondere Harnwegsantibiotika: Tetrazykline® und Sulfonamide®, Ciprofloxacin®, Ofloxacin®, Nitrofloxacin®)
  • Einzelne Medikamente zur Senkung der Blutfette, z.B. Fibrate
  • Männliche Sexualhormone (Testosteron)
  • Einige antidepressive Mittel (Fluctin®)
  • Gichtmedikamente (Allopurinol®)
  • Mittel gegen Pilze (Daktar®, Fluconazol®)
  • Durchblutungsfördernde Mittel (Pentoxifyllin, z.B. Trental®)
  • Magenmedikamente wie z.B. H2-Blocker und Ranitidin® können sowohl zu einer Verstärkung als auch zu einer Abschwächung der blutzuckersenkenden Wirkung von Antidiabetika führen.
Diese gerade beschriebene Wechselwirkung mit Gefahr der Unterzuckerung tritt in erster Linie bei Medikamenten der Gruppen Glibenclamid®, Amaryl® und Novo-Norm® sowie bei Insulingabe auf.

Medikamente der Gruppe Glucobay® können per se nicht zu einer Unterzuckerung führen. Kommt es bei ihnen also zu einer verstärkten Anreicherung im Körper, so hat dies für den Diabetiker keine Folgen.

Bei der Gruppe Metformin® kann der Einsatz von ACE-Hemmern (Endung "-pril") zu einer leichten Senkung des Blutzuckerspiegels führen, jedoch ohne gefährliche Auswirkungen. Gefährlich kann jedoch der Einsatz von jodhaltigen Kontrastmitteln sein. Hier kann es zu einer Anreicherung von Metformin® im Körper kommen, was jedoch dann nicht zu einer Unterzuckerung führt sondern durch Überschießen der Nebenwirkungen des Metformin® zu einer lebensbedrohlichen Blutansäuerung führen kann.

Abschwächung der Antidiabetika

Neben der Gefahr der Wechselwirkung von Antidiabetika mit anderen Medikamenten, die zu einer Blutzuckersenkung führen, gibt es jedoch auch die Gefahr, dass andere Medikamente die Wirkung der Antidiabetika abschwächen. Dann kommt es zu einer ungewollten Steigerung des Blutzuckers mit der Möglichkeit der Überzuckerung (hyperglykämisches Koma). Zu einer Abschwächung der Wirkung von Antidiabetika können folgende Medikamente führen:
  • Schilddrüsenmedikamente
  • Weibliche Hormonmittel (Antibaby-Pille, Wechseljahrsmedikamente)
  • Diuretika (entwässernde, blutdrucksenkende Medikamente, z.B. HCT®, Torasemid®, Furosemid®)
  • Mittel gegen Lungenerkrankungen, Asthmamittel (z.B. Foradil®, Berodual® u.a.)
  • Blutdrucksteigernde Mittel wie z.B. Effortil®
  • Abführmittel
  • Antidepressiva wie Haldol®, Truxal® u.a.sowie Antiepileptische Mittel wie z.B. Phenytoin®
  • Heparinspritzen (sog. "Bauchspritzen" im Krankenhaus oder bei Gipsverbänden und Verletzungen)
Diese Wechselwirkungen treten bei praktisch allen Gruppen von Antidiabetika auf.

Die Wirkung der Alpha-Glucosidase-Hemmer (Acarbose) (z.B. Glucobay®) kann außerdem noch bei Einnahme von Medikamenten, die auf den Darm oder die Verdauung wirken, abgeschwächt werden (z.B. Kohlepräparate und Verdauungsenzympräparate z.B. Pankreatin 20000®).

Wirkung von Antidiabetika auf andere Medikamente

Neben den oben beschriebenen positiven und negativen Wirkungen anderer Medikamente auf die Blutzuckereinstellung haben umgekehrt einige Antidiabetika aber auch eine Wechselwirkung auf andere Medikamentengruppen.

Bei Sulfonylharnstoffen (z.B. Glibenclamid® und Amaryl®) und Alpha-Glucosidase-Hemmern (z.B. Glucobay®) kann gelegentlich eine Verstärkung oder Abschwächung des Herzmedikamentes Digoxin® (Novodigal®), des gerinnungshemmenden Medikamentes Coumadin® oder von schmerzstillenden Medikamenten (z.B. Diclofenac®) beobachtet werden. In diesen Fällen kann es notwendig sein, eine Dosisanpassung des Antidiabetikums vorzunehmen.

Bei der relativ neuen Gruppe der Glitazone (z.B. Actos® und Avandia®) sind bislang keine entscheidenden Wechselwirkungen bekannt. Lediglich bei gleichzeitigem Einsatz von Schmerzmitteln wie Diclofenac® u.a. kann es zu einer leichten Wasseransammlung im Körper kommen.

Wechselwirkung mit Alkohol

Wie bereits erwähnt können neben Medikamenten auch andere Substanzen wie beispielsweise Genussmittel einen Einfluss auf die Wirkung der Antidiabetika oder den Blutzucker selbst haben.

Hier ist insbesondere an die Wechselwirkung mit Alkohol zu denken, denn der Alkohol senkt den Blutzucker, so dass Diabetiker beim Genuss von Alkohol jedoch sehr vorsichtig sein und einige Verhaltensregeln beherzigen müssen.